Bauchspeicheldrüse-Info

Polyneuropathie (PNP)

Seit fast zwanzig Jahren befasse ich mich im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Leiterin mehrerer Regionalgruppen bei TEB e.V. ausschließlich mit dem Thema Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, insbesondere Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Jedes Gruppentreffen ist einzigartig und hat immer eine eigene Dynamik, die nie voraussehbar ist. Betroffene und Angehörige nutzen die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen und über ihre eigenen Erfahrungen, Erlebnisse, Freude und Enttäuschung im Umgang mit ihrer eigenen Erkrankung zu berichten. Dabei kommen die unterschiedlichsten Themen wie z. B. Ernährung, Verdauung, Gewicht, Diabetes oder Polyneuropathie zum Vorschein.

Das heutige Thema „Polyneuropathie (PNP)“ entstand aus vielen Fragen und Gesprächen mit Betroffenen aus den verschiedenen Regionalgruppen, fachlichen Vorträgen in den unterschiedlichsten Veranstaltungen und Diskussionen mit Ärzten. Wohlwissend, dass es sich dabei um ein Thema handelt, dass nicht täglich in meinen Beratungen vorkommt, habe ich mich dazu entschlossen, das Thema aufzugreifen und mein Wissen und meine Erfahrungen weiterzugeben.

Periphere Polyneuropathie, was ist das?

Polyneuropathie schädigt das periphere Nervensystem, d. h. die Nervenfasern außerhalb von Gehirn und Rückenmark.

Das periphere Nervensystem wird auch PNS genannt. Es ist der Teil des Nervensystems, der nicht zum Gehirn und zum Rückenmark, dem zentralen Nervensystem, gehört. Das periphere Nervensystem liegt außerhalb des Schädels und des Wirbelkanals. Zum größten Teil wird es durch die Hirnnerven und die Spinalnerven gebildet und verbindet das ZNS mit dem Effektororgan.

Effektororgan ist das Erfolgsorgan, das einen Teil eines Organs, Gewebes oder einer neuronalen Struktur mit dem Endpunkt eines zielgerichteten biochemischen oder physiologischen Ablaufs verbindet oder darstellt.

Das PNS spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung des Bewegungsablaufs. Durch die Polyneuropathie können Bewegungsabläufe des Körpers gestört werden. Darüber hinaus können Empfindungsstörungen auftreten, sowie auch das vegetative Nervensystem geschädigt werden.

 

Unterschiedliche Symptome

Betroffene berichten in den Gruppen über ihre Empfindungsstörungen, die sie meistens in den Füßen und Beinen, Händen und Fingern,    seltener in den Armen spüren. Berührungen mit Kälte und Wärme tun ihnen weh, sie empfinden diese als sehr unangenehm und belastend. Vieles können sie einfach nicht mehr machen.
Betroffene leiden an den unterschiedlichsten Symptomen wie z. B. Brennen, Taubheit, pelziges Gefühl, Kribbeln und Kältegefühl, in be- sonders schweren Fällen klagen sie auch über Lähmungserscheinungen, je nachdem, welche Nerven bei ihnen beschädigt sind.

Ein Herr sagte: „Ich habe das Gefühl, ich laufe auf Watte oder ich habe etwas im Schuh und oftmals kann ich das Gleichgewicht nicht mehr halten. Die dauernden stechenden, stumpfförmigen Schmerzen sind eine ständige Begleiterscheinung. Seit einiger Zeit stolpere ich immer öfters,  kleinste Unebenheiten im Boden spüre ich nicht und sie sind dadurch für mich gefährlich geworden. Des Öfteren bin ich deshalb gefallen und habe mir dabei wehgetan. Das Gehen und Laufen fällt mir verdammt schwer, da ich meine Bewegungen nicht mehr willentlich steuern kann. Immer wieder bekomme ich Muskelkrämpfe, Muskelzuckungen, die mich in meiner spontanen Bewegung einschränken. Ich kann und will mich kaum noch bewegen, geschweige mich sportlich betätigen, obwohl ich spüre, dass ich dadurch schwächer und kraftloser werde. Ja und jetzt treten seit einigen Tagen fast dieselben Symptome an meinen Händen auf.“
Eine andere Betroffene meinte: „Meine Finger sind taub, ich kann nicht mehr richtig greifen. Früher habe ich viel genäht, heute kann ich keine Nadel mehr einfädeln. Ich kann kaum noch meinen Haushalt machen, es fällt mir vieles einfach auf der Hand oder ich verletze mich, weil ich nicht mehr spüre, ob das Wasser kalt oder warm ist. Ich habe das Gefühl, meine Hände sind gegen Schmerzen unempfindlicher ge-  worden, oftmals spüre ich nicht einmal, dass ich mich wieder einmal verbrannt habe.“

Polyneuropathie, kommt sie häufig vor?

In Deutschland sind es schätzungsweise über fünf Millionen Menschen, die an der Polyneuropathie leiden. Leider wird sie oftmals sehr spät oder gar nicht erkannt.
Die Liste der Fragen, warum diese Erkrankung ausbricht und wodurch sie ausgelöst wird, ist lang und leider kann man auch nicht immer eindeutig sagen, welche und warum diese Nerven geschädigt sind.

Folge­erkrankung Diabetiker

In den meisten Fällen habe ich es mit Betroffenen zu tun, die die Polyneuropathie bereits durch einen bestehenden Diabetes mellitus hatten. Oder Betroffene wurden an der Bauchspeicheldrüse operiert.

Bei dieser Operation, die mit zu den schwersten Bauchoperationen zählt, wird meistens der Kopf oder Schwanz der Bauchspeicheldrüse entfernt. Oftmals muss aus verschiedenen Gründen die gesamte Bauchspeicheldrüse entfernt werden und das hat zur Folge, dass man nicht nur Enzyme zuführen muss, sondern auch mit einem Schlag Diabetiker ist. Das heißt, man hat als Folge der Operation einen Diabetes 3 c. Dieser ist sehr schlecht einstellbar, weil die beiden Botenstoffe Insulin und Glukagon fehlen.
Es gibt viele Gründe, weshalb die Bauchspeicheldrüse komplett entfernt werden muss. Oftmals liegt die Indikation der Operation darin, dass ein Tumor in der Bauchspeicheldrüse diagnostiziert wurde.

Heute weiß man, je früher man einen Tumor entdeckt, umso größer sind die Chancen, mit der Operation eine vollständige Heilung zu er- zielen. Doch leider wird der Tumor oft erst sehr spät entdeckt, meistens ist er schon größer oder er hat bereits in andere Organe metastasiert, dann bleibt letztendlich nur die medikamentöse Therapie.

Heute gibt es verschiedene Chemotherapien, sie alle haben das Ziel, die Lebenszeit deutlich zu verlängern und die Lebensqualität zu erhalten. Dabei sollen die Nebenwirkungen für den Betroffenen erträglich sein und ihn in seinem Alltag nicht mehr als notwendig einschränken.

Gibt es Untersuchungen zur PNP?

Betroffene berichten, dass sie einen Fragebogen ausfüllen müssen über Sensibilitäts-Muskeltests sowie Laboruntersuchungen.
Die Sensibilitäts- und Muskeltests sollen bei der Untersuchung durch den Facharzt herausfinden, in wieweit die Oberflächen- und Tiefensensibilität, der Muskelreflex sowie die Muskelkraft noch vorhanden sind.
Sie berichten weiter, dass bei ihnen ein Oberflächen-Tiefensensibilitätstest durchgeführt wurde und dabei auch die Muskelreflexe und Muskelkraft geprüft wurden. Der Arzt hat mehrere Möglichkeiten, diesen Test durchzuführen.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es auch noch Untersuchungen wie z. B. Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit durch Elektroneurografien (ENG) oder die Elektromyografie (EMG) gibt, sie misst elektrische Aktivitäten im Muskel. So kann man feststellen, ob der Muskel selbst erkrankt ist oder der Nerv, der den Muskel mit Informationen versorgt.
Ob diese Untersuchungen immer gemacht werden müssen, wenn die Polyneuropathie eine Folge der Operation oder der Chemo ist, kann ich nicht mit ja oder nein beantworten. Hier ist immer der behandelnde Arzt gefordert.
In einigen Fällen berichten die Betroffenen, dass ihr behandelnder Arzt sie zur Abklärung und weiteren Behandlung zu einem Neurologen überwiesen hat.

Polyneuropathie durch Alkohol!

Es ist bekannt, dass auch Alkoholmissbrauch eine Polyneuropathie auslösen und bis zu starken Lähmungen führen kann. Alkohol ist in unseren Gruppen kaum ein Thema, da überwiegend Betroffene mit Bauchspeicheldrüsenkrebs und nicht mit Bauchspeicheldrüsenentzündung kommen und hier der Alkohol oftmals nicht die Ursache der Erkrankung ist.

Diabetische Polyneuropathie?

Hier spricht man oft davon, dass ungefähr ein Drittel aller Diabetiker im Laufe der Zeit eine diabetische Polyneuropathie entwickeln können. Somit gehört Diabetes mellitus mit zu einer der häufigsten Ursachen einer Polyneuropathie. Oftmals leiden Betroffene bereits an den Symptomen, bevor sie ahnen, dass sie einen Diabestes haben, er wird oft auch erst später diagnostiziert. In einer unserer Diabetesschulungen wurde erklärt, das die Polneuropathie, so vermutet man, durch eine Schädigung kleinster Nerven, die die Blutgefäße versorgen, entstehen, oder durch den überreichlich vorhandenen Blutzucker, der die Nerven direkt beeinträchtigt. Diese Art der Polyneuropathie tritt meistens an Beinen und Füßen auf.

 

Polyneuropathie kann durch Gift, Medikamente und Schadstoffe ausgelöst werden. Wir wissen, dass bestimmte Medikamente eine Polyneuropathie auslösen können, z. B. Zytostatika, (die vorwiegend beim Pankreaskarzinom eingesetzt werden und oft Platin enthalten). Zytostatika sind Zellgifte, die vorwiegend bei Krebstherapien eingesetzt werden. Betroffene können je nach Ausprägung massiv unter den Nebenwirkungen der Polyneuropathie leiden.

Viele Betroffene, die beispielsweise eine Chemo-Kombination mit der Substanz „Oxalinplatin“ erhielten, berichten, dass ihre Missempfindungen an Händen und Füßen meistens nach dem 2. oder 3. Zyklus auftreten und dass damit erhebliche Einschränkungen in ihrem täglichen Ablauf verbunden sind.

Therapieansätze bei Polyneuropathie

In Folge einer Krebstherapie, in der die Nervenschädigungen auftreten, ist eine effektive Behandlung kaum möglich. In den Gruppen berichten Betroffene, dass sie beim Aufklärungsgespräch darüber informiert wurden, dass die vorgeschlagene Chemo als große Nebenwirkung die Schädigung der Nervenenden hat und damit eine Polyneuropathie die Folge sein könnte.
Sollten Symptome wie Kribbeln, Brennen oder Taubheitsgefühl an Händen und Füßen auftreten, muss der behandelnde Arzt sofort über diese Veränderungen informiert werden. Er wird die Chemo entweder verringern, was auch die Wirkung herabsetzen kann, oder er nimmt oftmals das entsprechende Medikament heraus, das für die Nervenschädigung mit verantwortlich sein kann. Oder er steigt komplett auf eine andere Chemo um.

Ob und wie weit sich die Nervenschädigungen nach der Herausnahme der Substanzen wieder zurück bilden, ist nicht sicher und nicht eindeutig mit ja zu beantworten. Auch hierzu äußern sich die Betroffenen sehr unterschiedlich. Manche empfinden, dass es bei Absetzung der Chemo besser wird, andere empfinden es als gleichbleibend. Keiner der Gefragten sagte, dass alle Symptome, wie z. B. das Gefühl von Taubheit, wieder vollständig weggingen.

Auch eine Behandlung mit Medikamenten ist möglich, ob sie sinnvoll ist, hängt von den Beschwerden des Betroffenen ab. Bei den Symptomen wie z. B. Taubheitsgefühl oder Missempfindungen gibt es heute nur wenige Medikamente, deren Wirksamkeit belegt ist. Fragen Sie hierzu Ihren behandelnden Arzt.

Aber auch hier waren die Antworten der Betroffenen eher zurückhaltend. Ich hatte den Eindruck, dass man an die Wirkung der Medikamente gegen die Polyneuropathie nicht so recht glaubt. Wie sagte ein Betroffner: „Wir müssen uns zwischen Pest und Cholera entscheiden, wohlwissend, dass beides nicht gut ist. Es bleibt uns oftmals nur die Chemotherapie, eine andere Möglichkeit sehen wir nicht und wird uns auch nicht aufgezeigt.“

Sollten Symptome, wie ich sie beschrieben habe, bei Ihnen auftreten, ist es wichtig, dass Sie bitte sofort Ihren behandelnden Arzt oder Onkologen informieren. Er wird ganz sicher versuchen, Ihnen zu helfen.

 

Sollten Symptome wie Kribbeln, Brennen oder Taubheitsgefühl an Händen und Füßen auftreten, muss der behandelnde Arzt sofort über diese Veränderungen informiert werden.

 

Was kann der Betroffene tun?

Betroffene mit Bauchspeicheldrüsenkrebs, die an einem Taubheitsgefühl sowohl an Händen und Füßen leiden, können mit Hilfe von Ölbädern, Krankengymnastik, Massagen, Physiotherapie, Ergotherapie und Elektrotherapie eventuell eine Linderung bekommen.
Physiotherapie hat das Ziel, die manuelle Beweglichkeit und auch das Geschick zu erhalten. Mit Hilfe von Fußrollen, Treten auf Sisalmatten, Laufen auf warmem Kies oder Kieselsteinen, Linsen, Erbsen, Kirschkernkissen oder Igelbällen und Fingergymnastik in warmem Wasser können eventuell die Beschwerden gemildert werden.

Vitamine

Ob Vitamine B1, B6, B12, Folsäure, L-Carnitin oder alpha Liponsäure oder verschiedene Medikamente, die man heute zur Verfügung hat, sinnvoll sind, sollten Sie unbedingt mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen. Diese Besprechung ist auch deshalb sehr wichtig, damit das Auftreten von potentiell gefährlichen Wechselwirkungen mit beziehungsweise Wirksamkeitsverminderungen Ihrer Krebstherapie vermieden werden können.

Wichtig ist es zu wissen, dass die Wirksamkeit aller von mir erwähnten Therapieansätze zur Behandlung der PNP nicht eindeutig und wissenschaftlich bewiesen ist. Es wäre sehr vorteilhaft und von höchstem klinischem Interesse, wenn ein sinnvoller Effekt in den Behandlungen erzielt würde. Damit würde sich die Begleittherapie in der Onkologie deutlich verbessern. Betroffene mit Krebs hätten dadurch eine bessere Lebensqualität.

Es ist deshalb umso wichtiger, dass Sie bei Beschwerden Ihren Arzt informieren und zu Rate ziehen, nur er kann Ihnen helfen, Wege zu finden, dass es Ihnen besser geht.

Wichtig

Bitte die Polyneuropathie unbedingt auch bei der Beantragung eines Schwerbehindertenausweises angeben. Hier sollten Sie sich unbedingt von Ihrem Arzt bescheinigen lassen, wie weit die Einschränkung/Behinderung Ihrer Hände und Füße fortgeschritten ist.


Ich hoffe, ich konnte ein wenig die Polyneuropathie erklären, auch wenn es nicht mein Spezialgebiet ist.
Katharina Stang

Die Erstellung der neuen Homepage wurde durch eine Projektförderung der DAK Bundesebene nach
§ 20h SGB V unterstützt.